Dienstag, Oktober 29

Hunderte Meere, benannt nach dir.

Ich hab das Gefühl du verdienst einen Text. Seit Ewigkeiten bastle ich schon rum an so Vielen. Sie gelingen nicht, sie enden nie, sie bedeuten zu wenig und sagen nicht genug aus. Ich weiß, du wünschst dir einen, seit dem ersten Tag als wir uns kennen gelernt haben. Ich weiß, du kanntest zuerst meine Texte, meine Worte und vielleicht sogar mehr meine Gefühle als meine Persönlichkeit. Mein Ich fandest du zwischen Zeilen, die regelrecht unter völliger Emotion, unter totalem Affekt geschrieben wurden. Du kanntest den Trauer und die Wut, die Angst und bisschen sogar meine Mut. Bist mir gegenüber gesessen in der Bücherei zwischen den Büchern und den Tresen, hast gelacht und Witze gerissen. Du hattest meine Seele schon geknackt, da wusste ich noch gar nicht wer du bist, was du hier machst, welche Rolle du in meinem Leben übernehmen willst. Mit großen Schritten bist du mir nachgegangen, mich nie verlassen, dich nicht abwimmeln lassen. Ich traf auf dich mit Wut und voller Sorgen, trotzdem hast du genickt und erneut in der Bibliothek den Stuhl gegenüber mir eingenommen. Und ich frag mich, ob du hingehört hast, als du meine Angst zwischen den Zeilen last. Ob du sie schon kanntest, auswendig wusstest, bevor sie bald schon zwischen uns hoch in der Luft lag. Ich kann sie schmecken, du sie auch? Sie spannt sich wie ein Seil zwischen unsere Häfen, bereit loszureißen; beide Hände bereit loszulassen. Wirst du mich denn bald loslassen? Ich bin nicht mehr gut im Schreiben, umso schlechter im Dichten. Ich weiß meist gar nicht was sagen. Worte kommen nie an bei Menschen, sie klopfen höchsten an der Tür, schauen beim Fenster vorbei, gehen aber nie hinein, nehmen keine Herzen ein. Ich habe Angst, Philipp. Angst davor, alleine zu sein. Angst davor nach vorne zu blicken, überhaupt nach vorne zu gehen; wie genauso Angst davor einen Schritt zurück zu nehmen. Ich habe Angst ich zu sein, meine Stimme erheben zu lassen und Worte an dich zu werfen. Hab Angst, dass sie nur abprallen und du mir leere zurückwirfst. Hab Angst nie anzukommen, nie loszulassen, mich nie loszureißen und nie ans Ziel zu gelangen. Ich hab Angst mit dir zu sein, mit dir zu atmen, zu lachen und zu lieben. Hab Angst, dass die Zeit ohne dich mich eh bald einnimmt, dass der Raum nicht mehr nach deinem Parfum riecht und mein Lachen nicht mehr auf deines trifft. Hab Angst dich zu lieben und mein Herz am Ende wieder einmal brechen zu sehen. Du erinnerst mich an die vergangenen Lieben, bist fast gleich: voller Schwierigkeiten mit mir umzugehen. Dabei will ich für dich am Leichtesten sein, aber meine Leichtheit hat solch eine Fülle an Schwere. Sie ist wie 100kg Federn neben 100kg Steinen. Ich laufe auf sie zu, vergesse jedoch, dass nicht das Material, sondern nur das Gewicht zählt. Die Leichtigkeit, die ich dir schenken will, bohrt sich tief in mich hinein, sie ist schwerer, soviel schwerer als nur ich selbst zu sein. Aber mich selbst würdest du nicht lieben, nicht wollen, nicht erkennen, nicht da zu bleiben bitten. Mich selbst würdest du abschieben, wegdrücken, weiter verschenken, dich nie wieder daran erinnern. Klingen meine Sätze sehr verzweifelt? Bin ich in letzter Zeit zu oder nur verzweifelt? Ich habe einfach Angst. Habe ich sie schon erwähnt? Sie spannt sich von meinem Hafen zu deinem und zu jeglichen anderen Häfen. Sie ist bereit loszureißen, ich bin bereit loszulassen. Hey, ich bin wohl doch zu gebrochen, du kannst mich nicht mehr zurecht biegen. Ich bin wohl doch zu verschollen, das einzig Schöne an mir, du lässt dein Licht an mir reflektieren. Vielleicht dachtest du von Anfang an, es wäre meines. Sowie das Licht zwischen meinen Zeilen, es war immer ein Anderes. Aber deines klebt mir an der Schläfe, tropft meine Finger runter. Wie Honig liegt es auf meiner Haut, ich schau zu, wie es fließt. Hundert Meere in einem Körper nun. Ich benenn sie nach dir. Bekenn sie nach deinem Sein. Wie gut du bist und wie tapfer. Wie groß im Herzen. Und hoffe eines Tages ähnlich zu werden. Ich lass mich in dich eintauchen, und hoffe insgeheim dabei selbst, du würdest dein eigenes Licht auch ein bisschen für meins halten.



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