Donnerstag, März 29

Du warst mal ein Zuhause, vielleicht sogar meins.

Hast du nicht auch das Gefühl die Luft ist bei uns beiden raus, dass wir uns eigentlich nicht mehr gegenseitig brauchen? Und nach dem Schmerz umfließt anfängliche Gleichgültigkeit meinen Fels in der Brandung, obwohl wir doch nie ufern wollten?
Ich habe so viel Angst vor dieser Realität, dass man sich zwar mag, aber irgendwie nicht mehr versteht und irgendwie würde ich dir gerne sagen, wie sehr ich wegen dir gelitten habe, dass kein Tag vergangen ist, seitdem ich dich kenne, an dem ich nicht an dich gedacht habe. Du bist das Licht am Horizont, das mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und mich dennoch in die Irre führt. Heute ein neuer Morgen, doch ich hab mich immer noch nicht gefunden. Und übrig geblieben ist nur mehr all das verdammte Leid von jeder angefangenen Minute, in der ich mich anpassen musste an deinen endlosen Egoismus in einer hedonistischen Welt, in der du an der Spitze stehst und sich alles nach deinem Willen und deiner Wolllust dreht. Diese tausenden Male, wie ich in der Küche zusammen gebrochen bin, nur weil ich den ganzen Druck nicht mehr ausgehalten habe, dir die Illusion meiner Funktionalität vorzutäuschen. Denn du, ein knapp halber Mensch, wolltest ja unbedingt, dass ich dir als ein Ganzes entgegen trete. Ich frage mich jetzt noch auf den kalten Fliesen des Küchenbodens, warum hast du nochmal aufgehört dich um mich zu kümmern? Warum sind heute von deinen Versprechen nur mehr die Lügen übrig geblieben? Wir liegen gemeinsam einsam in deinem, einem nun für mich fremden Bett. Du sagst, es fehlt der Platz für uns beide, denn es fällt dir schwer überhaupt welchen für mich frei zu halten. Und nach dem Schachmatt liegen der König und der Bauer trotzdem wieder in der gleichen Kiste. Warum versuch nur ich das noch aufrecht zu erhalten? Ich drehe mich so sehr im Kreis, nur um am Ende des Tages wieder und wieder bei dir zu landen. Und manchmal wünsche ich mir dich nie kennen gelernt zu haben. Und frag erst gar nicht nach, was das alles mit meiner Depression macht. Wie sehr ich doch versuche dagegen zu kämpfen, nicht runter zu fallen, aber die Gedanken an dich es doch immer und immer wieder schaffen. Alles ist immer so schmerzerfüllt und ich zerstückele ab. Trotzdem solltest du das jetzt nicht falsch verstehen. Ich weiß, du hast sie nicht leiden können, diese verzweifelten Probleme in meinem Kopf, du konntest ihnen nie aufrecht in die Augen blicken. Aber meine Depression ist nicht immer Blut und Schreie, Tränen in die dunkle Nacht. Sie ist nicht nur Gedanken, die an den Wänden kratzen und Sätze, die den Verstand zerplatzen lassen. Eine Depression ist immer 24/7 da, aber sie muss nicht die Kontrolle über die schönen Dinge haben, du musst wegen ihr nicht dein Leben verpassen. Verstehe mich nicht falsch, wenn ich die Wahl hätte, würde ich sie abgeben, sie als eine Schale wegschälen und ablegen. Ich würde sie in das tiefste Loch auf der Welt werfen und das Loch mit Betonplatten zudecken. Denn es stimmt, meist will ich einfach mehrfach in der Woche nur ein bisschen mehr sein. Und dann habe ich Angst. Angst vor dem Ungewissen und vor der Gewissheit, dass das Wissen um das Ungewisse meinem Gewissen schadet. Also bleibe ich sitzen und betrachte einen Vorhang dessen Saum sich niemals zu erheben vermag. Das Rollenspiel dahinter ist schon in vollem Gange, doch ich bin kein Teil von diesem Theater. Ich bin der ewige Zuschauer. Ich bleibe verborgen hinter dem Schleier, so blitzen doch immer wieder Strähnen des Paradieses durch die Lücken dieser schweren Stoffwand. Ein gleißendes Licht befleckt mein blasses Gesicht – ein Moment der kurz währt, so kurz. Zu kurz. An solchen Tagen glaube ich, dass ich das größtmögliche Maß an Glück schon verspürt habe, weswegen seitdem jeder Moment der Freude einen bitteren Unterton bekommt. Die vereinzelten Wermutstropfen im Schierlingsbecher, den ich halte wie eine Fackel in der Dunkelheit. Meine letzte Bastille, die ich selber nicht zu stürmen, wage. Ich bin irgendwie gefangen in einem immerwährenden Limbus zwischen alles haben und nichts wollen und noch viel mehr das wollen was andere schon haben. Weil das Gras immer grüner ausschaut auf der anderen Seite des Zauns, egal auf welcher man steht. Welk wirkt das eigene Gedankengut. Aber dann kommen wieder andere Tage, die Sonne scheint in den Raum und umso mehr in meine Seele hinein. Ich bin mitten im Geschehen und der Saum erhebt sich von ganz allein. Viele meinen glücklich zu sein ist eine Entscheidung, aber meine Entscheidungen scheitern schon daran aus dem Bett zu kommen. Denn die Depression zieht mich zurück ins Bett und ich komm einfach nicht nach vorn. Also das Glück ist keine Entscheidung, vor allem nicht neben meiner Depression. Wenn dann fliegt es mir einfach so zu. Und dann gibt es Momente, sie sind perfekt, um am Leben zu sein. Aber irgendwie ist jeder Tag schön, wenn die Sonne scheint. Und irgendwie ist so relativ wie die Schönheit subjektiv sein kann, aber heute scheint sie dennoch irgendwie absolut zu sein. Du verstehst es falsch, meine Depression lässt mich nicht nur im Dunklen verbittert und verloren allein. Ich sage es nochmal, ich würde sie nicht wünschen, aber wenn sich das Theater vor meinen Augen abspielt und ich die Realität greifen kann, dann kenne ich Liebe und das Leben, das Glück und das Wohlbefinden, wie es sonst ein gesunder Mensch nicht erleben kann. Ich bin so oft durch die Hölle meiner Depressionen gegangen, meine eigenen Dämonen haben meine schmerzverzerrte, nasse verweinte Fratze satt. Ich will nicht mehr nur ein stummer Begleiter sein, denn dafür habe ich zu viel meiner Lebensenergie in das ganze investiert – und auf dem Schachbrett bin ich kein wertloser Bauer, ich bin eine Königin. Nur steh ich dir viel zu oft gegenüber als an deiner Seite. Lass uns ewig weiterspielen, denn irgendwie scheint heut’ die Sonne, irgendwie ist heute ein schöner Tag.



Eine Lennart Bernsdorff x Cagla Erdemir Zusammenarbeit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen