Samstag, Januar 10

Das Meisterstück.

Wenn du lachst, dann lache ich mit. Wenn du glücklich bist, umgibt mich dein Glück und sie fühlt sich warm und hervorragend an. Wenn du traurig bist, dann weine ich mit. Denn wenn etwas dein Herz zerreißt, will ich nicht, dass meines ganz bleibt. Aber wenn du nicht da bist, dann bin ich weder glücklich, noch traurig. Denn ich sehe dich nicht, bekomme keine Bewegung mit. Vergesse mit der Zeit wie du atmest, oder wie du an meinem Ohr flüsterst. Wenn du nicht da bist und die Sterne so hell leuchten, wie die Feuerwerke es am Silvester getan haben, dann vermisse ich dich und ich fühle mich einfach nur leer. Und die Leere hält mich gefangen, begrenzt meine Bewegungen und lässt mich nicht richtig atmen. Anna hat einmal geschrieben, es fühlt sich an, als wär sie in einem Käfig, auf dem Dach eines Hochhauses und jemand hätte sie runtergeschubst. Du hast mich runtergeschubst. Und dieser Mann, der den Sprung von Golden Gate Bridge überlebte, sagte "Als ich sprang, wurde mir klar, dass ich das eigentlich gar nicht wollte, ich wollte nicht sterben." Ich las diesen Artikel wieder und wieder und überlegte mir, ob Menschen ihre Suizidversuche wirklich so stark bereuten. Jetzt, da ich von dem Dach eines fast schon unendlichen Hochhauses, die man in großen Städten wie New York oder Dublin sieht, falle, habe ich genug Zeit darüber nachzudenken. Und ich muss zugeben, am Anfang vergießt man eine Hand voll Tränen, aber nun, da ich dem Boden näher bin, als dem Dach, ändert sich meine Meinung schlagartig. Wenn man das Ende weiß und die Angst darüber, wie man sterben wird, an den Gedanken nagt und die Lungen zerquetscht, als hättest du ein zu enges Korsett an, will man nicht mehr an den Anfang. Man will nicht versuchen über Sachen nachzudenken, die nicht mehr möglich sind. Und ich, wie ein kleines gefangenes Tier in diesem winzigen Käfig, der mit einer extremen Geschwindigkeit runterflog und die Geschwindigkeit sich pro Sekunde quadrierte, hörte auf von einem besseren Leben zu träumen und wollte endlich auf den Boden krachen. Denn, wenn man fällt und keiner dich aufhalten kann, wenn man fällt und du dem Boden näher bist als dem Anfang, wenn man fällt und deine Organe sich gegenseitig niedertreten in deinem endlos müden und rettungslosen Körper, wünschst du nur mehr, dass es aufhört. Dass das alles und der restliche Schmerz aufhört, dass egal ob es Tod ist oder nicht, etwas diese monströse Leere füllt. Und ich stelle mir vor, wie ich auf den Boden krache und meine Knochen durch den Aufprall sich in winzigkleine Splitter auflösen. Wie das Blut, das ich so oft versucht habe aus diesem Körper zu bekommen, den Asphalt anmalt, als hätte man Kübeln voller Farbe auf den Boden zerstreut. Und ich hinterlasse mein letztes Kunstwerk, das Beste, das ich je zustande brachte. Ein Kunstwerk, das sogar auf Tumblr landen könnte. Oder andere würden kommen und Gedichte darüber schreiben, wie ein winziges kleines Tierchen, das einen Menschennamen hatte von dem silberglänzenden Dach eines bläulich silbernen Hochhauses mit mehr als 100 Stöcke, runterflog. Und sie werden darüber schreiben, wie sich mein dunkelrotes Blut verteilte und dass, wenn ich zu dieser Zeit noch atmen konnte, dass ich selbst dann noch gestorben wäre, weil ich eh in dem ganzen Blut ertrunken wär'. Und andere werden wegschauen müssen, wenn mich Rettungsleute von dem mattschwarzen Boden abkratzen. Denn man wird sehen können, wie sich die gebrochenen Knochensplitter in die Organe geirrt hatten und es nun aussieht, als hätte man Knochen als Messer benutzt; ein kleines Monster auf der Straße vor einem Hochhaus mit Tausende von Messerstiche, Organe zerplatzt, Lungenbläschen über den Boden verteilt. Und egal wie oft man das Blut wegwischen wird, und Regen wird darauf fallen, Schnee wird mein totes Leben bedecken, aber irgendwer wird an der Stelle immer ein kleines Mädchen sehen, mit einem Engelsgesicht, nun, da es zerstört ist. Irgendwer wird zuflüstern, wie ich ein gefallener Engel bin.
Aber dieser Text war gar nicht darüber, wie ich mich im Fallen befinde und der Duft des frischen Asphaltbodens meine Nase schon seit Minuten durchdringt, oh nein, dieser Text hätte eigentlich über Sehnsucht sein sollen. Über eine ewige Liebe, die auch weiterhin existieren würde, wenn ich auch endlich auf der Straße vor einem Hochhaus liegen würde, die nach einer berühmten Person benannt worden war und das Wetter hätt' irgendwelche Grautöne, da sich der Himmel in kein Blau mehr verfärbte und Menschen würden ihren Atem anhalten, mein bestes Kunstwerk betrachten, das beste in meiner Kunstgalerie, in der wir einmal Lippen auf Lippen gepresst unser eigenes Bild gemalt haben.


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