Samstag, Dezember 6

Mom.

Und du schreist mich an, gibst mir Namen, als würde ich sie mir nicht schon längst selbst geben. Du schreist mich an und ich kann's dir nie Recht machen. Meine Hände zittern, weil sie nicht wissen, welche Bewegungen für dich okay wären und welche dich aufregen könnten. Trotz alldem, was ich für dich versuche, wenn es zu einem Streit kommt, dann weiß mein Mund nicht mehr, was er sagen soll. Ich lüge dich nicht an, aber verstecke die halbe Wahrheit, weil du die echte nicht ertragen kannst. Und wenn es soweit kommt, meine Stimme zittert nicht; sie schreit, aber sie verliert sich nicht.
Und nun kommt das letzte Jahr, indem wir noch miteinander leben werden. Dann wird der Kalender den September angeben und ich werde gehen. Ich weiß, du wirst mir die Schuld geben, ich werde die Familienenttäuschung sein - hah, als wäre ich sie nicht immer schon gewesen. Aber ich weiß, du wirst mich für all das hassen, nie an unsere Streite denken, wirst beten, ihn fragen, warum du es verdient hast, warum du sowas wie mich verdient hast..
Und du sagst, ich bin nur dumm und das einzige, was ich kann, ist, meine Gelenke aufzuschneiden. Ich lächle. Ich lache. Erinnere mich an den Tag, als du meine Narben zum ersten Mal gesehen hast, Furcht, Angst in deinen Augen. Ich bin so eine schlechte Mutter. Unser Familienruf war wichtig, nicht ich, nie ich. Verbote, Schreie, Schläge. Ach, Mom, ich habe sowas wie dich nicht verdient. Von ihm rede ich gar nicht, aber dich, ich dachte dich dürfte ich lieben. Dachte, du würdest dich selbst mir nicht wegnehmen.
Schau an, früher hat es mir weh getan, dich zu verlassen. Ich versuchte Wege zu finden, wie ich abhauen könnte, ohne dich zu verletzen, doch jetzt, jetzt schau uns an, wir sind an dem Punkt angelangt, wo wir auch noch Feinde sind. Und vielleicht, dachte ich, vielleicht lasse ich dir ein Abschiedsbrief mit buntes Papier und schwarzer Schrift zurück, vielleicht am Ende ein kleines "Ich liebe Dich." und irgendwo dazwischen Entschuldigungen für das, was ich plane dir anzutun. Aber du, du verdienst es nicht.
Und nun rinnt das Leben mir zwischen den Fingern, wie Sternschnuppen in der Nacht quer durch den Himmel, aber ich denke, es ist okay, denn ich kann es eh nicht ändern. Und vielleicht sollte ich jetzt Worte schreiben, die dich für mich verletzen könnten, falls du überhaupt noch ein warmes Teil an deinem Herzen für mich besitzt, aber ich will es nicht, denn du bist meine Mutter und ich habe es nie bereut, dich zu ihr zu machen und dich so zu nennen, aber wir sind an einem Punkt, wo meine Gefühle wie Meteoriten auf meine Küsten krachen und meine Wellen, die die Liebe zu dir trugen, bei den Versuchen austrocknen, diese Leere von deren Löcher zu füllen. Und ich weiß, meine Sätze sind verkettet und ergeben vielleicht wenig Sinn, aber genau so ist es, denn weder mein Ärger noch ein winziges Zeichen an Liebe ergibt für dich noch Sinn. Und meine Füßen könnten zittern, meine Glieder zusammenbrechen und ich ausbluten, aber dich würde es nicht kümmern, denn ja, du hast einen wunderbaren Sohn und du setzt ihn hoch in den Himmel, sodass keiner ihn berühren und somit auch verletzen kann, aber hey, Mom, ich gehe für ihn unter und ertrinke unter seinem Atem und deinen Versuchen für ihn, aber nur für ihn Sauerstoff herzuschaffen. Ich kann nicht atmen, ich kann mich unter seinen Füßen, unter deinem Hass nicht bewegen und Gott, ja, meine Gelenke bluten, doch du lässt mich zurück, als wärs dir wert mich zu vergessen, nur um sein Glück zu sehen. Und verdammt, Mom, ich verbrenne, wenn du für ihn Feuer machst, ich ertrinke, wenn du für seine Fehler weinst, ich sterbe und sterbe, weil er lebt und nur mehr lebt.
Du sagst, ich soll sterben, du kannst mich nicht länger leiden. Ich schaue dich an. Mom, siehst du es denn nicht, ich gehe schon längst unter für dich.



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