Sonntag, Juni 1

Ich wache auf, lass es nicht zu.

Matthias? Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich weiß nur, es ist etwas, was ich noch nie hatte. Ich weiß nicht, wie ich das zusammenbringe oder was ich mir dabei denke. Aber ich habe Angst. Angst vor dem, was aus mir langsam wird. Ich verliere die Eigenschaften, für die du mich liebst. Aber nicht nur das. Ich verliere auch meine Eigenschaften, für die ich ich war. Ich werde kalt. Und ich habe Angst davor. Weißt du noch den Tag, an dem ich Tabletten genommen habe? Ja, klar weiß du den noch. Aber an dem Tag war etwas da, was sonst nie ganz da war. Immer fehlte es etwas, aber an dem Tag, war genau das da, zur Gänze, mit voller Füllung. Und den letzten Kick gab mir die Wut gegenüber Menschen, gegenüber der Welt. Und jetzt, jetzt kann ich fühlen, dass dieses Ding, was immer gefehlt hat, aber an diesem Tag da war, wieder kommt. Und ich spüre, wie es jeden Tag neue Teile findet, um besser ganz zu sein, wie ein Bild, sammelt es die Puzzleteile. Und den Kick, den mir an dem Tag meine Wut gab, den gibt mir jetzt meine Gleichgültigkeit, die dieses komische Ding mit sich bringt. Ich habe Angst, Matthias. Weil das, was so klar war eigentlich, diese Sache, wofür ich lebte, die verlier ich. Ich seh die nicht mehr. Und es macht mir Angst. Du sagst, das Leben hat keinen Sinn, außer es zu leben. Für mich machte es keinen Sinn, es zu leben, nur ich glaubte, ich habe den wirklichen Sinn nur noch nicht gefunden. Jetzt weiß ich, dass es den nie gegeben hat. Und das macht mir Angst. Ich verlier mich, Matthias. Ich verliere meine Eigenschaften, die mich ich machen. Ich dachte immer, ich habe die schon verloren, aber jetzt, wo ich sie wirklich am Verlieren bin, jetzt weiß ich, was ich war. Was ich war, aber immer abgelehnt habe. Und das macht mir Angst. Was soll ich tun? Zu wem gehn? Ich fühl mich so Unendlich gelangweilt, selbst deswegen scheint Suizid was Gutes zu sein, weil es mein Herz pochen lassen wird. Hilf mir. Noch nie wollte ich von irgendeinem Menschen Hilfe annehmen. Aber diesmal, diesmal brauche ich sie. Ich flehe dich an, mir sie zu geben. Hilf mir, bitte. Zeig mir einen Weg, besser zu werden. Hilf mir.


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