Mittwoch, Oktober 9

Jetzt oder nie, doch wie?

Du bist traurig, nicht wahr? Mein Lächeln verschwand. Warum? Ich kann es fühlen. Ich zwang mich zu einem Lächeln. Warum das denn? Lach ich nicht oft genug? Doch, äußerlich lachst du verdammt viel. Seine Mundwinkel zogen sich dabei ganz leicht nach oben, ehe sie wieder zurückfielen. Aber innerlich bist du traurig. Weil ich äußerlich mehr lache, als andere Mädchen? Nein, ich lache auch verdammt viel. Aber bin auch innerlich glücklich. Nicht so wie du, du bist traurig, ich kann es fühlen.

Erzähl es mir. Doch wie? Wie würdet ihr mein Leben zusammenfassen? Wie konnte ich einem sagen, dass ich krank bin, dass ich depressiv bin? Wenn ich es nicht tun würde, würden sie es tun, die Menschen, die nichts wussten. Also jetzt oder nie, doch wie?
Willst du über die erzählen und warum sie da sind? Er tippte auf meine Narben, ich nahm seine Finger weg und legte seine Hand auf seinem Oberschenkel. Je mehr er nachhackte, desto schwer fiel es mir Luft zu holen und desto mehr wurde ich schüchtern. Er würde es von ihnen hören, von denen, die keine Ahnung hatten. Also jetzt oder nie, doch wie?
Ich biss auf die Lippen, warf einen langen Blick durch das Fenster. Als ich den Blick wieder zu ihm richtete, sah ich wie beschäftigt er damit war, meine Narben an den Handgelenken zu betrachten. Aber ich konnte nichts erkennen, ich konnte nicht sehen, was da mitspielte, in seinen braunen Augen. Er zuckte leicht zusammen, als ich die Ärmeln von der Jacke packte und sie hektisch runterzog. Er würde es von anderen hören, doch würde es nicht doch irgendwie stimmen? Sie würden sagen, dass ich krank bin. Lächerlich. Depressiv. Komisch. Einzelgänger. Und vieles mehr. Doch, war ich es nicht? Also jetzt oder nie, doch ich ließ lieber die anderen reden, denn wirklich darüber reden konnte ich nie.
Ich legte den Kopf gegen die Scheibe, den Blick tief in die Ferne gerichtet. Als würde ich das Leben, wo ich mich befand hinter mir lassen, hinter meinem Blickwinkel lassen. Ab und zu sah ich, wie er mich betrachtete, wie er mich still traurig nannte. Es tat mir leid, ich hätte es gerne erzählt, doch wusste nicht wie.

Warum kann ich einfach nicht normal sein? Warum wird jeder darauf aufmerksam? Nun ja, ich verstecke sie seit letztes Jahr nicht mehr, die Narben, denn jeder in unserer Schule weiß es schon, dank Hannah. Danke, Hannah, du hattest die Klappe nicht halten können, auch gut, ich schaff das eh. Ich weiß immer noch nicht, wie sie meine Seite entdeckt hat, ehrlich gesagt, interessiert es mich auch nicht mehr. Das einzige was zählt, ist die einsame Frage; Warum?
Warum kann ich nicht normal sein?
Warum kann ich nicht glücklich bleiben?
Warum muss ich miserabel sein?
Warum kann ich nichts besser machen?
Warum kann ich gar nichts gut machen?

Warum kann ich keinen glücklich machen?
Warum verletze ich jeden?
Warum verletze ich andere, indem ich Angst habe, sie zu verletzen?

Warum will ich mich fern von ihnen halten?
Warum liebe ich das Alleinsein so?
Warum lache ich nie echt? Ich habe vergessen, wie es sich anfühlt.
Warum sehe ich Leere in meinen Augen, wenn ich mein Spiegelbild betrachte?

Warum sehe ich Narben an den Handgelenken?
Warum bin ich krank? Warum verdammt?
Warum kann mich keiner so hinnehmen, wie ich bin?
Warum bin ich so miserabel?
Warum bin ich so kalt?
Warum atme ich immer so schwer?
Warum habe ich so ein zerstörtes Herz?

Warum habe ich so gestörte Gedanken?
Warum denke ich überhaupt so oft nach?

Wer liebt mich schon, warum sollten sie mich überhaupt lieben?

Und ich könnte noch 100 Fragen mit Warum aufschreiben und hätte noch gar nichts gesagt, hätte noch gar nichts gefragt.

Gib mir Gründe, für jede Frage eine.

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