Donnerstag, Oktober 24

Gib auf.

Hat man dich gefragt? Ob du leben wolltest, ob du die Welt sehen wolltest, hat man dich danach gefragt?
Als er dir die Liebe wegnahm, als es schwarz wurde, als die Welt unterging, hat man dich nach deiner Meinung gefragt?
Als du geschrien hast, als ein einziges Wort Bitte die ganze Nacht lang zwischen deinen Lippen lag, als die Tränen nie aufhörten, hat man dich in dieser Nacht gefragt, ob du bleiben willst? Ob du jemals bleiben wolltest?
Ich weiß noch, wie du gezittert hast. Ich habe es gesehen, ich habe es gefühlt. In der Ecke der Dusche, die Kleidung platschnass, du hast dich immer nach vor und dann wieder zurück bewegt. Immer das gleiche Wort zwischen den Lippen, mitten der Gedanken, immer ein Bitte. Das Wasser tropfte deine Wimpern runtern, bekam dabei eine graue Farbe und vermischte sich zuletzt mit den salzigen Tränen. Sie nahmen den Weg über den Lippen, sie überquerten das Wort Bitte und sammelten sich am Kinn. Das einzige Geräusch, das deine Ohren zu hören bekamen, war der dumpfe Schlag, als die Tränen zu Boden fielen.
Ich weiß noch, wie du geschrien hast, in der nächsten Nacht. In der übernächsten Nacht, die ganze Woche, die nächste Woche, den Monat, das ganze Jahr. Ich weiß noch, wie du jede Nacht schweißgebadet aufgewacht bist, gezittert hast, die Tränen dir an den Wangen geklebt haben.
Nach diesem einen Tag warst du nie wieder die Alte. Du hast nie richtig gelacht. Du bist auseinander gefallen. Und das ganze Schöne in dir ist zerstückelt und du hast sie fallen gelassen. Sie waren dir zu schwer, das alles war dir zu schwer. Komischerweise hast du das Schöne in dir herausnehmen können, aber was eigentlich schwer war, könntest du nie rausreißen.
Es ist deine Schuld, sagen sie doch. Das alles ist deine Schuld und du fragst dich wirklich, ob diese Nacht deine Schuld war. Du fragst dich, ob alles von dir ausgegangen ist. Ob du diesen Hass zum Vorschein gebracht hast.
Sie sagen, es sei Pech. Du lachst. Sie werden es nie verstehen. Du weißt es, sie nicht.
Du ritzst. Es tut weh. Sie werden den Schmerz nie verstehen. Du bist der Meinung, du verdienest es. Du hast Recht.
Du warst nie gut genug. Auch dann nicht, als sie dir ein Lächeln schenkten. Du bist einfach das durchgeknallte Mädchen, mit hunderte von Narben von der hintersten Reihe. Gib auf. Du wirst es nicht schaffen. Du hast nie etwas geschafft. Du scheiterst. Du merkst es. Gib auf. Lass alles liegen. Keiner wird dich vermissen, versprochen. Du wirst keinem mehr weh tun. Sie werden lachen, glücklich sein, weil es dich nicht mehr gibt. Sie werden dankbar sein, ich verspreche es. Gib auf. Du verdienst das Leben nicht. Gib auf. Du gehörst nicht hierher.

1 Kommentar:

  1. Was war denn der Auslöser für diese Nacht, was war da. Bist du misshandelt worden?

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