Samstag, August 31

Ich wünsche mir eine Mutter.

Du machtest mich fertig in Abständen von höchstens zwei Minuten und das mehr als eine Stunde lang. Ich sah mein Vater an, er zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf. Sie hattet sich gerade erst wieder gefunden, dass er sich einmischte und sie wieder stritten, das wollten wir beide nicht. Dann saßen wir am Esstisch, meine Hände zitterten. Die ganze Zeit hatte ich Tränen in den Augen und probierte die Schreie runterzuschlucken. Krieg dich wieder ein. Immer wieder ging dieser Satz durch mein Kopf. Krieg dich wieder ein, bitte, krieg dich wieder ein, Cassi. Ich wollte nicht, dass du es sahst. Solange die Tränen nicht runtertropften, würdest du es nie bemerken. Ich ging mir Wasser holen, holte dort tief Luft, wisch die Tränen von den Augen und kehrte wieder zurück. Als wir fertig waren, räumte ich den Tisch ab. "Wasch sie auch noch." Ich nickte, es machte mir nichts aus. Aber davor wollte ich noch den Tisch abwischen und du sagtest es noch einmal, diesmal lauter. Ich konnte mich nicht halten und sagte halblaut: "Ich habe dich schon gehört. Du musst es nicht hundert Mal sagen. So blöd wie du meinst, bin ich doch nicht." Und ging dabei in die Küche. Du hast mir nachgeschrien. "Es fällt dir schwer mitzuhelfen, anstatt rumzusitzen und nichts tun." "Das hat gar nichts damit zu tun, okay? Ich mach ja was du willst." Dann hast du davon geredet, dass ich ja keinen Anstand mehr habe und nicht weiß, wie man mit einer Mutter redet. Was für eine Mutter. Als das heiße Wasser meine Haut berührte, tropfte auch die erste Träne runter. Ich biss auf die Lippen. In diesem Moment bist du neben mir gestanden, du auf der rechten Seite, die Träne floss auf der linken Seite. Ich gab kein Laut von mir, ich war gewohnt still zu weinen, damit es keiner mitbekam. Trotzdem habe ich gehofft, du hättest es gesehen. Dass du gesehen hättest, dass es mir weh tat. Danach ging ich in mein Zimmer, schloss die Tür und ließ mich augenblicklich fallen. Mein Rücken berührte die Tür und das Gesicht lag in den Händen. Ich weinte. Nach 1 1/2 Stunden saß ich immer noch da und weinte weiter. Ich wünschte ihn hier, bei mir. Als ich doch aufstand und die Klinge in die Hand nahm, kam die Mutter rein. "Diese Hose ist schön." Ich sah auf meine Hose, schaute wieder auf und schüttelte den Kopf. Dann fing sie wieder an. Sie machte mich wieder nieder, beschimpfte mich. Ich konnte sie nicht verstehen, das war mein einziger Fehler. Und doch wollte ich, dass sie ging. "Ja, die habe ich neu.", redete ich in ihre Schreie rein. "Die gefällt mir." Du lächeltest, ich lächelte und du gingst. Hätte es mir nicht so viel Kraft gekostet dir zuzuhören, hätte ich dich zurückangeschrien. Aber ich war schon am Ende, mehr brauchte ich nicht. Ich zog mich aus, ließ die Kleider fallen und zerrte sein Pullover über mein Kopf. Ich ritzte mich schon lange nicht mehr am Arm, im Sommer ist das zu auffällig. Und ein blutroter Strich bildete sich auf meinem rechten Bein. Nach zwei Minuten: rechter Oberschenkel voll mit Blut.

Ich weiß nicht, Mama. Ich weiß nicht, warum es mir unglaublich mehr weh tut, wenn es um dich geht. Beim Vater hatte ich nie diesen starken Drang dazu, geliebt zu werden. Doch bei dir, schaut diese Sache ganz anders aus. Ich liebe dich. Die Liebe bei Seite, ich brauche dich. Weißt du was das heißt? Ich habe dich ein ganzes Leben lang gebraucht und nie warst du das, für keinen winzigen Augenblick. Wie oft habe ich zum Geburtstag, als ich die Kerzen ausbließ, gewunschen, dass es mit dir besser wird? Mindestens die letzten vier Male. Denkst du auch so oft an mich? Ich zweifle daran. Ich will deine Nähe spüren, deine Liebe, Zuneigung und Zärtlichkeit. Ich will dich fühlen. Fühlen, dass du da bist. Fühlen, dass du nie gehen wirst. Dass es dich zerreist, wenn ich einmal zu spät nach Hause komme. Dass du Angst um mich hast. Dass es dir weh tut, wenn es mir weh tut. Ich will eine Mutter, verstehst du? Am neunten habe ich wieder Geburtstag. Das sollte eigentlich unser Tag sein. Du hast mich auf die Welt gebracht. Ein Satz, das sich nur um uns dreht. Und ich werde mir wieder dich wünschen. Nur dich, wie immer.

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