Samstag, Juli 20

Ich wünschte, du könntest mich wie früher lieben.

Ich saß bei der Ausgangstür, die Füße nach außen gestreckt. Die Sonne gelang bis zu meiner Brust, also war die Brille auf dem Kopf doch sinnlos. Ich las das Buch Aufzeichnungen aus dem Kellerloch, es ging um einen Mann, der rein alles hasste, sogar sich selbst; passt echt gut zu mir, was? Plötztlich hörte ich Schritte auf der Treppe, er kam zu mir und ich machte Platz, damit er sich auch niedersetzen konnte. "Du liest schon wieder ein Buch?" "Ja, ich bin mit diesem nie fertig geworden." "Über?" "Da ist so ein Typ, der alles hasst und sogar den Leser anlügt, also auch mich." Es bildeten sich Falten auf seiner Stirn, er dachte nach. "Und, fahren wir in den Urlaub?" Ich sah auf meine Hände, sie fühlten sich auf einmal schweißig an. Könntest du nur sehen, was ich alles opfern könnte, um nicht mit dir mitzufahren. "Eher nicht, hätte ich jetzt gesagt. Du kannst ja alleine fahren, wenn du willst." "Was, wenn ich mit meiner Tochter fahren will?" Was, wenn sie nicht mit dir mitfahren will? "Ich will nicht." Ich starrte immernoch auf meine Hände, aber ich fühlte, wie er mein Gesicht betrachtete. Ich konnte fühlen, wie er zornig wurde. Er ballte die Hände zu Fäusten und genau da drehte ich mein Gesicht zu ihm. Wie lange war es schon her, dass ich direkt in sein Gesicht blickte? Wie lange war es schon her, dass ich in seine Augen sah und nicht gleich zusammen zuckte? "Wenn du nicht alleine fahren willst, dann bleib auch da. Wir können hier auch was zusammen machen, wenn du willst." Wie sehr ich mich davor ekelte, wie sehr ich mich mit jedem Wort noch mehr hasste; unglaublich. Er stockte. Als ich klein war, habe ich immer mein Kopf an seine Schulter gelegt, jedes Mal, wenn wir uns so nahe waren. Wir haben zusammen die Umgebung beobachtet, ich habe ihm Fragen gestellt und er sie mit höchster Geduld beantwortet. Er hat immer Witze gemacht und ich habe immer gelacht. Nun waren wir uns wieder so nahe. Ein Vater und seine Tochter. Was hätten wir denn nicht zusammen schaffen können? Wir blickten in unsere Augen, ich konnte sogar hören, wie er ein- und ausatmete. Dann senkte ich mein Blick und schaute die Häuser an. "Ja, vielleicht machen wir zusammen wieder einmal etwas." Er lächelte, ganz leicht. Seine Mundwinkel zogen sich so minimal nach oben, dass ein anderer es gar nicht erkannt hätte. Ich wünschte, du könntest breiter lächeln. Ich wünschte, du könntest mich wie früher lieben. Ich biss auf die Lippen und starrte wieder auf meine Hände, damit er nicht sah, wie sich meine Augen mit Tränen füllten. Da stand er aber schon auf und ging hinein. Ich bekam kaum Luft und Tränen tropften meine Wangen runter. Die Seiten meines Buches wurden nass, ich klappte es zu und legte es auf den Boden neben meinen Füßen. Ich senkte mein Kopf auf die Knie, der leichte Wind berührte meine rechte Wange, ein paar Strähnchen sperrten mir den Blick und ich wünschte ich könnte sterben.

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