Sonntag, Juni 23

Tagebuch einer Ritzerin, Tag -

Du lachst und lachst. Und sie denken, du seist glücklich. Du lächelst zu breit und könntest damit die Welt verzaubern. Manche fragen sich sogar, wie man so glücklich sein konnte. Denn du lachst immer wieder und wieder. Du bekommst sogar Tränen in die Augen vor zu viel lachen. Du redest und blödelst herum. Du scherzst und heiterst sie auf. Sie lachen und du, du lachst auch. Dann verabschiedet ihr euch mit einem Lächeln, du musst zum Bus, manche von ihnen auch und andere kommen auch zu Fuß nach Hause. Sie sagen "Tschüss.", du lächelst und winkst ihnen. Dann steigst du ein, suchst dir den Platz wie immer, vorletzter Sitz rechts. Langsam holst du die Kopfhörer aus deiner Tasche und suchst nach einem deiner Lieblingslieder. Als die bekannte Melodie deinen Ohren erreicht, lehnst du den Kopf gegen das Fenster und ziehst die Füße hoch, aber du lachst nicht mehr. Du bist müde, todmüde, du würdest am liebsten schlafen. Autos fahren vorbei, verschiedene Dörfer, Bäume, Steine, doch du nimmst eigentlich nichts wahr. Du schaust aus dem Fenster und siehst gar nichts. Du träumst dich davon. Du stellst dir ein anderes Leben vor, du gestaltest es nach deinen Wünschen und Träumen. Irgendwann kommt die Zeit, wo du aussteigen musst. Du packst deine Sachen zusammen, nimmst die Jacke in die Hand, steckst den IPod in die hintere Hosentasche und steigst aus. Fünf Minuten gehen vorbei und du steckst den Schlüssel in den Loch und machst die Tür auf. Du streichst die Schuhe von den Füßen ab und gehst ins Wohnzimmer. Schon wieder lächelst du. Auf die Frage "Hast du Hunger?" antwortest du wie immer mit einem Kopfschütteln und gehst gleich in dein Zimmer. Es ist sechst Uhr abends und du sitzest auf dem Boden mit geschlossenen Augen und den Kopfhörern da. Die Zeit vergeht, eine Stunde, zwei Stunden. Es ist acht Uhr abends und es geht los. Es fällt dir schwer zu atmen. Tränen tropfen deine Wangen runter, doch du gibst kein Laut von dir. Sie könnten dich hören und das macht dir Angst. Du fängst an zu zittern. Dir kommen Erinnerungen vor den Augen, sie sind so greifbar nah. Du siehst dich selber und diesen Schmerz. Jemand berührt dich, in dem gleichen Moment berührst du dich und lässt rote Striche zurück. Er berührt dich noch einmal, du ebenfalls. Andere Erinnerungen gehen dir durch den Kopf, andere Menschen berühren dich, andere Menschen tun dir weh und noch mehr Striche bilden sich auf deiner Haut. Du atmest tief ein und aus. Du bist kurz davor ohnmächtig zu werden, aber so ein Luxus hast du nicht. Sie könnten dich finden, indem du ohnmächtig bist und sie würden sehen, was du getan hast, was du mit dir angestellt hast. Du zitterst noch mehr. Dir tun die Handgelenke und die Beine weh. Du legst die Klinge weg und putzest das Blut von deiner Haut. Immer neues Blut bildet sich kugelförmig darauf. Du stehst auf und gehst in den Badezimmer. Du lässt die Kleidungsstücke fallen, du hasst dein Körper. Langsam steigst du in die Dusche und das Wasser brennt auf deiner Haut. Blut vermischt sich mit dem Wasser, du befindest dich in deinem Blut, du badest darin, du stinkst danach. Als du wieder halbwegs normal atmen kannst, steigst du aus der Dusche, trocknest dich ab, ziehst dich an und gehst wieder in dein Zimmer. Du lässt dich in das Bett fallen, dein Polster wird augenblicklich nass wegen deinen Haaren. Du schließt die Augen und träumst dich davon. Am nächsten Tag musst du die Bettwäsche wechseln, weil du keine Pflastern mehr hast. Ist dir aber auch egal, du willst jetzt einfach weg. Weg in ein anderes Leben.

Aus dem Tagebuch einer Ritzerin


4 Kommentare:

  1. Das ist keine gute Art einer Problemlösung. Wenn dann musst du einen besseren Weg finden deine Probleme zu lösen. Ich rate dir red mit einer vertrauten Person der du echt alles anvertraust, eine Person die dich in den Arm nimmt und dich dann beruhigt und glücklich macht. Dann wirst du auch sehen das es besser wird.

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    1. So eine Person gibt es nicht. Nicht mehr.

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    2. Wie es gibt sie nicht mehr?

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    3. Er ist einfach "puuuuffffffff und verschwunden". Was ist das für eine Frage? Ihn gibt es in meinem Leben nicht mehr. Nicht als diese Person, der ich alles anvertraue.

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