Samstag, Februar 2

ich hasse dich, vater.

Vater? der hier ist der allererste Blog, in dem ich dich erwähne. und ich weiß es jetzt schon, er wird auch der letzte sein, in dem ich dich als Vater bezeichne.

damit wollte ich nur den Leuten erzählen, wie sehr ich dich eigentlich hasse und wie sehr ich deine Gegenwart nicht ertragen kann, wie ich mich krank in meiner Haut fühle, jedes Mal, wenn du mich anschaust.
(und bitte, schreibt mich nicht über das hier an. nie, verstanden?)

nun, zu unserer gemeinsamen Geschichte..
es war eine warme, wunderschöne Sommernacht, nicht wahr? bis du in meinem Zimmer kamst, ich tat alles, damit du mich nicht 'aufgewecktest', ich wollte, dass du wieder in deinem Zimmer zurückkehrst. ich hasse dich dafür, dass du mich dazubrachtest, die Augen zu öffnen.
dann fingst du an zu reden, du wolltest mir klar machen, dass ich ein wahres Nichst bin. deine Worte hallen mir jetzt noch in den Ohren:

"Warum lebst du?" "Warum bist du gerade meine Tochter?" "Am liebsten würde ich dich umbringen!" "Ich hasse dich!" "Du bist eine wahre Missgeburt!" "Ich will dich nicht mehr haben!" "Am liebsten würde ich dich umbringen!" "Hörst du? AM LIEBSTEN WÜRDE ICH DICH UMBRINGEN!"

und ich saß einfach da, hörte zu, nun ja, ich gab dir eigentlich auch Recht. ich meine, du warst immer der, der mich beschützte, also müsste ich etwas falsch gemacht haben, damit du mich so schlagartig hassen könntest. ich verstand nie was ich genau getan habe, aber mittlerweile ist mir auch klar geworden, dass du mich eigentlich nur so hasst, auch ohne Gründe.

naja, zurück zu diesem Tag. ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis du fertig warst, mich zu beleidigen. aber es war nicht genug, stimmt's?

denn du hast mich an den Handgelenken gepackt, mich vorgeschoben, aus dem Haus raus, ich könnte gerade noch mir die Schuhe anziehen. du schobst mich vor dich hin, bis zum Auto und zwangst mich hinein zu sitzen. ehrlich gesagt, ich habe mir dabei echt nichts gedacht. ich meinte, du würdest mit mir sprechen wollen, ohne die Mutter und den Bruder aufzuwecken, und es war mir egal, wo du mich beschimpftest, ich wollte nur, dass es vorbei ging. so schnell wie möglich..

und ich sah immer wieder auf die Uhr, es waren schon mindestens 40 Minuten vergangen, als wir aus dem Haus waren. und kein Wort, kein einziges Wort tauschten wir. ich sah dich nicht an, Vater und du mich genauso wenig. dann packte ich den Mut, denn langsam bekam ich Angst, wir fuhren durch enge Straßen. durch Straßen, die ich noch nie davor gesehen hatte. und nirgends waren Häuser, es war einfach leer in dieser Gegend, so fragte ich dich, wohin wir fuhren.
ich hörte diesen Ärger und Hass in deiner Stimme und du antwortetest mir nur knapp: "Das wirst du schon sehen!"

noch mehr Zeit verging und die Gegend wurde immer noch leerer, immer noch einsamer, immer noch mehr machte es mir Angst.

dann kamen wir an und da war es, da war mein Todesort.
kaltes Wasser machte sich vor unseren Füßen breit. und deine Worte hallten mir durch den Kopf: "Am liebsten würde ich dich umbringen!"

Du standst hinter mir, packtest mein Nacken von hinten, schobst mich wieder vor. ich spürte langsam die Kälte des Wasser, es war nicht tief da, wo ich mich befand, aber du schobst mich immer noch mehr vor, und das Wasser wurde immer höher. Es kam mir nun bis zu den Oberschenkeln. ich kämpfte gegen dich, gegen deine Hand, gegen deine eiskalte Persönlichkeit.

ich bettelte, erinnerst du dich noch daran, Vater? ich bettelte dich an, mich loszulassen. ich entschuldigte mich, tausend Mal. ich weinte, erinnerst du dich, wie meine Tränen auf deine Hände fielen, Vater? ich schrie, ich schrie die Worte heraus: "Es tut mir leid!" "Entschuldige!" und das war das einzige, was ich an diesem Ort zu hören bekam, und unseren Atem. meine Stimmte hallte von den Bergen zurück, erstickte mich, raubte mir den Atem, ich hoffte, bei dir wäre es genauso gewesen.

kannst du dich erinnern, Vater, wie ich am Ende zu Boden sank? wie ich mich in dem Wasser vor uns verlor? und du mich herauszogst? kannst du dich noch erinnern, Vater, wie du mich ins Auto danach trugst und dann Hause angekommen ins Bad, damit ich mir meine matschigen Füße waschen konnte? kannst du dich erinnern, wie die Mama hinein kam und uns fragte, wo wir waren und du einfach ablenktest. kannst du dich noch daran erinnern, wie es mir weh tat?

ich schon, Vater. ich werde mich immer daran erinnern. jedes Mal, wenn du mich anschaust, werden mir deine eiskalten Blicke einfallen. wenn du mich berührst, wird mich die Kälte deiner Hand damals im Nacken erschaudern lassen. jedes Mal, wenn du mit mir sprichst, wird dieser eine Satz in meinem Kopf immer wieder hallen, er wird sich immer wieder wiederholen. "Am liebsten würde ich dich umbringen!"

ich hasse dich, Vater.


[ das war nicht mein vater. hier geht es um ein mädchen, über das ich in einem alten zeitungsartikel gelesen habe. sie hat sich vor drei jahren umgebracht und in einem tagebuch ist es darum gegangen, wie sein vater sie behandelt hat.
ich weiß nicht, aber ihre worte haben mich berührt und daraufhin wollte ich über sie schreiben. ]

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