Donnerstag, November 8

Tagebuch einer Ritzerin

25 Menschen in einem Klassenzimmer.
alle verschieden, dennoch alle gleich. alle so uninteressiert. außer eine.
die kleine da. die mit braunen Haaren in der letzten Reihe. die, die immer lacht. mit Ritzstellen am linken Handgelenk.
sie hat die neuen, die wirklich sichtbaren, jetzt schon über ein paar Wochen.
und genau heute, fragt einer sie, was sie da hat.
 
und auf einmal wird sie leiser. mit der Antwort 'nichts' will sie sich fortbewegen.
er haltet sie auf, grinst leicht schräg, fragt noch einmal, lauter, was sie da gemacht hat.
sie drängelt sich an ihm vorbei, mit der Hoffnung, dass es keiner gehört hat.
eine Unterrichtsstunde geht vorbei. jeder auf ein Haufen, sie auch dabei.
er kommt wieder, fragt sie, was sie da am Arm hat. jeder hörts.
sie sagt schon wieder nichts. jeder wird aufmerksam.
er fragt noch einmal, diesmal leiser, ritzen?
sie sagt, nein, es ist nichts.
er grinst, schief, verletztend, neugierig, haltet ihr Handgelenk fest, will ihn umdrehen, doch sie lässt es nicht zu und die Frage wird noch einmal gestellt, laut, am lautetsen, jeder hört zu.
wieder die gleiche Antwort, nichts. und sie bewegt sich fort.
 
noch eine Stunde, sie sind im Physiksaal.
zwischen Monika und Clara ist kein Stuhl, also setzt sie sich einmalig wo anders hin. sie hat kein bock mit ihnen zu reden.
zwischen Emanuel und Leonie.
Emanuel ist nett. sie mag ihn. sein Lächeln ist aufmunternd.
er flüstert ihr leise ins Ohr, erzähl mir wieso.
sie schüttelt den Kopf.
er schaut sie an und sagt, versprich mir, du tust es nie wieder.
sie lächelt, dreht sich um.
die Leonie sieht es und die Frage lautet, warum.
die Kleine lächelt wieder, traurig, sagt, es wäre uninteressant, unwichtig.
Emanuel schüttelt sein Kopf, wenn es dir weh tut, dann ist es wichtig.
sie bekommen keine Antworten, und die Kleine lenkt immer ab.
und hofft, dass der nächste Tag besser wird.
 
 
 
Aus dem Tagebuch einer Ritzerin

4 Kommentare:

  1. könnte mein Tagebuch sein.
    danke, dass du da bist, sonst würde ich mich alleine fühlen. vielen dank. (:

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    1. für mich ist da eine ehre für dich da zu sein. ich weiß nicht wirklich, wer du bist, aber .. jeder Mensch ist auf seine eigene Art und Weise besonderst. du sicher auch (:

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  2. Ich kannte aus auch nur zu gut, aber ich hatte keinen der für mich da war, man drohte mir nur mit Klinik. Doch irgendwann hatte ich Angst zu sterben & ich wusste es muss aufhören (:
    Ja deine Blogs sind einfach so toll <33

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    1. ich habe sie keinem je gezeigt. nur dieser eine hat es eben aus versehen gesehen. ich hoffe, mich droht man nicht mit Klinik.
      Danke <33

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