Freitag, Januar 16

Ich bin dir für immer verfallen, ich hab's dir auch versprochen.

Ich weiß nicht, warum ich schon um Sechs Uhr im Bett liege und zusehe, wie das Zimmer sich immer mehr verdunkelt. Ich kann keine Bedeutung dem zuordnen, was in meinen Gliedern geschieht, warum es sich anfühlt, als wären sie schwerer und fremder als je sonst. Wenn ich das Blut in den Ohren pochen höre, fühle ich mich wie ein kleiner Virus in irgendeinem Zellkern und werde unter den dumpfen Geräuschen des Bluts zerdrückt. Ich kann keine Gründe rauspicken, warum meine Albträume sich von gestern auf heute vervielfacht haben und dass ich jetzt nicht nur beängstigt, sondern mit Schweißausbrüchen und tränenüberströmt aufwache. Ich keuche und schaffe es nicht mal mehr zur Tür. Und irgendwo zwischen all diesem kommen noch meine endlos bescheuerten Rippen hinzu, manchmal ist der Schmerz so unerträglich, dass meine Augen tränen. Und Migräneattacken, heute den ganzen Tag schon, 500 ml nützt noch weniger wie früher. Wahrscheinlich das alles wegen dir. Aber das alles auf die Seite, mir tut meine Brust weh. Mir tut meine verdammte Brust weh und das, was sich zwischen drinnen versteckt, das Herz. Andere reden von Stärke und Durchhaltevermögen. Verstehe ich nicht. Wer von euch steht vor einem Krebskranken und spricht zu ihm: Dein Schmerz wird besser. Keiner tut das. Gar keiner. Und bei mir, bei mir reden sie ewig lange Texte, sie nehmen meine wertlose Zeit und machen sie noch sinnloser. Sie reden und reden und denken ihre Worte, die ja so stärkend und faszinierend und wenn man ein bisschen sich anstrengt sogar poetisch klingen, das denken sie zumindest, dass die dann irgendetwas für mich erleichtern. Weiß überhaupt wer von euch, was Herzschmerz ist? Wenn du deinen Atem anhältst und darauf hoffst, dass auch dein Herz anhält. Weil es tut dir irgendetwas in deiner verdammten Brust weh und du würdest alles geben, um dieses irgendetwas rauszubringen. Es ist das ekelhafteste Gefühl nicht atmen zu können, wenn man eigentlich atmet. Es brennt in dir so tief und so weit und breit, dass sie dich aus der Dusche rausholen und zum Arzt bringen müssen, weil du das heiße Wasser nicht bemerkt hast. Und wenn man Handball im Turnunterricht spielt und der Ball in dein Gesicht genau auf deine Nase trifft, weißt du nicht, ob du schreien sollst oder nicht, denn dieser Schmerz, der deine Nase durchfährt und sogar deine Haut überall sonst zittern lässt, tut nicht mehr weh als das, was du in deiner Brust trägst. Dann sind da noch Narben. Klingen, die nur 1,90€ kosten, sind 6 dabei, glaube ich. Ich weiß es nicht. Aber deine Freude wieder Nagelneue zu haben. Wie du sie aus der Schachtel nimmst und sie gründlich abwischst. Und wenn du sie auf die Haut setzt, schneiden sie wieder tief rein. Und Blut strömt über deine Glieder, als hätte dich jemand abgestochen. Und je mehr du in deinem Blut ertrinkst, desto mehr der Metallgeschmack, der die Staubschicht deines Zimmers eindeckt, desto langsamer atmest du wieder, für den kurzen Moment tut's nicht mehr weh. Und dann geratest du in ein Teufelskreis, am nächsten Tag bekommst du wieder und wieder Wutanfälle und Nervenzusammenbrüche, weil du es wieder getan hast. Weil egal, ob es Monate seit dem letzten Mal her sind, du hast es gestern wieder getan und warst nicht mehr traurig dabei. Oh nein, man spürt keinen Trauer, wenn man sich ritzt. Er ist wie davongeflogen, als hätte es ihn nie gegeben. Seinen Platz nimmt viel was schlimmeres ein; Leere. Ich kann verstehen, warum Kurt Cobain sang, dass er die Bequemlichkeit des Traurigseins vermisse. Ich war so traurig für so lange Zeit, dass wenn ich jetzt nicht traurig bin, gar nichts mehr fühlen kann. Ich hasse das Gefühl am frühen Abend mich ins Bett zu legen und einfach so aus dem Nichts anfangen zu weinen. Ich hasse es zu weinen. Ich sehe die Welt zurzeit eher nur mehr verschwommen, als detailliert. Und keiner sollte versuchen, mir klar zu machen, dass Weinen hilft oder die Tränen sich warm anfühlen, wie wenn man Kakao an einem kalten Wintertag neben dem Kachelofen trinkt. Denn diese Tränen brennen auf meiner Haut, ich könnte fast behaupten, sie würden vor lauter Hitze verdampfen, aber ich fühle wie sie auf mein Polster tropfen und wenn ich mich umdrehe, dass die Nässe dessen meine Haut streichelt. Ich kann fast schon hören, wie einige von euch sagen: Du bist nun 17, wirst wohl über Liebeskummer hinwegkommen. Ihr habt Recht, ich bin 17, aber Nichts ohne diesem Menschen. Denn, wenn ihr an einem Punkt seid, an dem ihr alles loslassen wollt und einer kommt und rettet, was noch zu retten ist, dann, meine Freunde, dann spielt es keine Rolle mehr wie andere Menschen dich enttäuschen. Du hast bei allen gedacht, dass sie für immer bleiben und am Ende wusstest du, dass keiner bleiben wird. Aber Gott, wenn du das Gesicht von dieser Person, die du liebst, in deinen winzigen Händen haltest und ein goldgelber Bart kratzt deine Hände so wohl, dass es dich umhauen könnte, dann weißt du, dass er bleiben wird. Und verdammt, auch wenn er am Ende nicht bleibt, es ändert nichts daran, dass du WUSSTEST, dass er bleibt. Denn du denkst dir dann nicht mehr, ich hab mich selbst reingelegt. Nein, nein, nein. Du denkst dir immer noch, dass ihn zu lieben die richtigste Sache war, die du je angestellt hast. Denn als ich mich in diesen Jungen verliebte, ich schwöre es euch, die Welt hielt still. Wenn sein Atem meinen streifte, ich habs gespürt verdammt und keiner kann mir das ausreden, dann konnte ich leben, ohne dass mein Herz weiter schlug. Als er mir durch die Haare strich und dumm redete, verlor ich mich in seiner Seele. Und jetzt kommen Menschen und sagen mir: Es ist hart, aber du musst loslassen, irgendwann wirst du ihn nicht mehr lieben, das weißt du. Ja, das weiß ich. Das weiß ich und ich schäme mich dafür. Denn egal wie weh es tut, mir ist lieber, ich lande immer wieder beim Doktor, weils mir die Haut abbrennt; mir ist lieber, ich schneide und ruiniere mein Fleisch; mir ist lieber, ich schreie, bis meine Lungen nur mehr Blut rauskotzen; Gott, das alles ist okay, solange ich meine Liebe zu ihm behalten darf. Solange ich ihn liebe und sein Namen nicht von meiner Haut rausgeht. Denn ich habe ein Versprechen gegeben, für immer ihn zu lieben. Und auch, wenn ich es nicht gegeben hätt', ich will kein Leben ohne diesen Jungen. Es ist egal, wie weh es tut, aber ich will nicht mit einem anderen das alles tun, was unsere Pläne waren. Ich will kein Leben, indem ich nicht ihn liebe. Und ich weiß nicht, wie viel ein Mensch ertragen kann, ich weiß nicht, wie lange jemand wie ich durchhalten mag. Das einzige, was ich weiß ist, dass mich nie jemand so schnell aufschlitzte. Keiner hat mich so schnell in so viele Teile gebrochen. Keiner hat mich für meine Krankheit verlassen wollen. Denn Gott, es ist eine Krankheit und sie lebt in mir und hat Kontrolle über all meine Gefühle und Gedanken. Ich habe es nicht gewählt, depressiv zu sein. Habe es nicht gewählt, hier in diesem Bett zu liegen, weil alles rundherum am Einstürzen ist. Aber wer bin schon ich, es geht um dich. Dass du dich überfordert, unter Druck gesetzt und gestresst fühlst. Ich wäre gern ein besserer Mensch für dich, ein Mensch, der nicht psychisch krank ist. Verzeih mir meine Krankheit, verzeih mir meine dumme Existenz.


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