Sonntag, November 3

Das Monster zeigt Zärtlichkeit.

"Du bist krank." Es flüstert mir in das Ohr, ich nicke leise. Wie ein winziger Hauch vom Wind stößt dessen Atem auf meine Wange und es kichert. "Zeitverschwendung." Es berührt mein Hals mit seiner Nase, wie ein Vampir legt es die Zähne um den Hals. "Genau da, einen einzigen Schnitt, keiner wird dich hören." Ich nicke schon wieder. "Riechst du es auch? Der Tod. So nah dran. Er liegt in deinen Händen. Er schmückt deine Augen. Und die Narben sind die Unterschrifte davon." Eine Träne fällt auf meine Brust. Ich fange an zu zittern. Der Spiegel im Bad kommt mir auf einmal unendlich weit entfernt vor. Der Raum wird größer, er dreht sich. "Ein schwaches Herz hast du mein Kleines, heute schon wieder nichts gegessen?" Ich schnappe nach Luft und muss mich an der Wand halten. "Deine Organe, mein Kleines, sie versagen." Ich lehne mein Rücken dagegen und kralle meine Nägel hinein. Versuche mich irgendwie irgendwo festzuhalten. "Wer weiß davon? Keiner. Bekommst du überhaupt noch Luft?" Ich sinke zu Boden, ein dumpfer Schlag. Versuche zu atmen, alles wird dunkel. Doch ich verlier mich nicht, schnappe härter nach Luft. Fester. Probiere so gut wie möglich die Lungen zu füllen. Die Schwärze wird größer, die Kälte klebt auf meiner nackten Haut. "Du kämpfst? Immer noch? Wofür? Schlaf ein, Kleines. Ich weck dich dann auf." Ich balle die Hände zu Fäuste, schnappe nach Luft, gieriger. Ich muss es schaffen. Das Monster greift nach meinen Haaren, zerrt sie zurück. Es legt die Lippen an meinem Ohr. "Hör auf." Doch ich bekomme wieder Luft und seine Hände ziehen sich zurück. Es kommt Licht in die Dunkelheit, die nassen Haaren kleben mir seitwärts vom Gesicht. Blut fließt in die selbe Richtung und tropft schlussendlich auf den Boden. Der Raum dreht sich immer noch, ganz leicht. Die Luft ist mir immer noch zu knapp. Doch die Nase hört langsam auf zu bluten. Ich stehe auf, ziehe mir mein Pullover über den Kopf und die Hose, meine Füße zittern. Ich muss hier raus, bevor ich noch einmal zusammenbreche. "Nächstes Mal hole ich dich mir." Und ich reiße die Tür auf und erblicke das Gesischt meiner Mutter, den sie augenblicklich verzieht. "Du schaust aus, als hätte man dich aus einem Grab rausgeholt." Ich hole tief Luft bevor ich spreche. "Ich weiß", stottere ich hervor, "mein Blutdruck leckt wieder mal den Boden ab." "Was für ein Wunder. Als könntest du jemals mal gesund sein." Ich wünschte, sie hätte mich mit besorgten Augen angeschaut, mit einem Gemisch aus Trauer und Angst. Doch ich war ihr dafür zu gleichgültig. Und das Monster schrie mir von meinem Hinterkopf nach. "Nur ich liebe dich, nur ich mache dich perfekt." Nur du, bist gut zu mir. Nur du, zeigst Zärtlichkeit.


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